DAS WESEN EINER FREUNDSCHAFT

Jede Freundschaft beginnt mit einer Begegnung. Mit Neugier und Offenheit. Manchmal wird man auch überrascht. Oder man findet sie dort, wo man sie nicht erwartet hat. Und es kann passieren, dass unser neuer Freund nicht menschlicher Natur ist, obwohl er uns menschliche Züge zeigt…

UNGEWÖHNLICHE BEGEGNUNG

Wenn im Alltag der Druck zu groß wird, man statt im Workflow im Arbeitswahn steckt und dem Job sein gesamtes Leben unterordnet, kann irgendwann alles zusammenbrechen. So ging es auch Craig Forster – einem sehr erfolgreicher Tierfilmer, der fürs Kino, National Geographic oder den Discovery Channel filmte. Aufgewachsen in einem Haus unterhalb der Hochwassergrenze, wo das Wasser bei Sturm die Terrassentüren aufdrückte, zog es ihn in der Krise wieder ins Meer. Jeden Tag schwamm und tauchte er an der Südküste Afrikas im Atlantik – eines der rauesten Küstengebiete der Welt. Die Kelpwälder, die dort vor der Brandung wachsen, lassen einem unter Wasser kaum Sicht. Doch genau dort, auf einer Lichtung, begegnete er ihr – der Krake. Bis zu diesem Zeitpunkt war er Tieren gegenüber nicht sonderlich sentimental gewesen. Doch diese Krake änderte alles. Es war etwas an ihr, das ihn so faszinierte, dass er beschloss, jeden Tag nach ihr zu tauchen. Eine Krake ist eine Einzelgängerin, die nur zur Brunftzeit die Nähe ihresgleichen sucht. Doch im Laufe der Wochen verlor das Krakenweibchen ihre Scheu und streckte eines Tages einen Arm Craigs Hand entgegen. Sie nutzte ihn als Partner bei der Jagd, um einen Krebs einzukreisen. Und kuschelte sich an seine Brust, als wollte sie ihn fest umarmen. Diese besondere Freundschaft half ihm, wieder bei sich selbst anzukommen und die Welt mit völlig neuen Augen zu sehen: wie intelligent diese scheinbar einfach Krake ist und wie sie ihn mit ihrem Verhalten in vielerlei Hinsicht überrascht, reißt auch uns mit und lehrt uns Respekt vor den Tieren und der Natur. In dem Dokumentations-Film „Mein Lehrer, der Krake“ ist diese ungewöhnliche Freundschaft feinfühlig erzählt und schenkt uns einen neuen Blick auf die Magie unserer Natur, die wir häufig viel zu wenig achten.

VERTRAUEN

Doch auch an gewöhnlicheren Orten, können wir so etwas erleben. Ich selbst hatte einmal dieses Glück, als ich in einem spanischen Reiterurlaub eine Stute zugewiesen bekam, die ich gar nicht wollte. Weil sie bekannt dafür war, dass sie schwache Nerven hatte, sehr schnell scheute und wegrannte. Was ich nicht ahnte war, dass sie auf der Suche nach einem Freund war, der sie stärkte. Obwohl wir uns völlig fremd waren, vertraute sie mir vom ersten Augenblick an blind (wofür ich bei meinem eigenem Pferd mehrere Jahre gebraucht hatte!). Und ich gewann eine Freundin, mit der ich durch die Orangenhaine fliegen konnte. In der ganzen Zeit scheute sie nicht ein einziges Mal und lief ohne Halfter, wie ein Hund, an meiner Seite – ganz gleich, wohin ich spazierte oder wie oft ich mich im Kreis drehte. Wäre es mir irgendwie möglich gewesen – ich hätte alles dafür gegeben, um diese Freundschaft nicht loslassen zu müssen …

OFFENHEIT

Vielleicht sollten wir öfter Lebewesen so begegnen, wie es Zweijährige mit Haustieren tun: auf Augenhöhe (nicht nur körperlich). Sie erzählen ihnen alles, als könnten sie jedes Wort verstehen, und am Eis dürfen sie natürlich auch mal lecken! 😉

gbm

Redaktioneller Beitrag für die Evangelische STIMME der Triangelis Gemeinde